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Veganismus: Vor(ur)teile und Nachteile

Aktualisiert: 19. Sept. 2021

Von Salat schrumpft der Bizeps. Echte Männer brauchen Fleisch. Ohne Milch werden die Knochen spröde. Wir möchten uns heute einmal mit den gängigsten Vorurteilen gegenüber veganer Ernährung befassen und den gesamten Lebensstil dahinter kritisch beleuchten.


Im Supermarkt sind Milch- und Fleischersatzprodukte inzwischen aus keinem Kühlregal mehr wegzudenken. Was mit Tofuwürsten und Soja- und Haferdrinks begann, führt inzwischen von Hack über Nuggets bis hin zur Salami. Die Zielgruppe dieser Produkte scheint zudem gewachsen zu sein. Laut aktueller Umfragedaten stieg der Bevölkerungsanteil an Veganer*innen in Deutschland in den letzten fünf Jahren von 800.000 auf 1,13 Millionen. Dennoch scheinen eben jene Produkte bei einigen auch für starken Gegenwind zu sorgen, was selbst wir ab und an zu spüren bekommen. Wer sich in den sozialen Medien bewegt, wird um den festgefahrenen Stellungskrieg zwischen Sojalliierten und Fleischenmächten kaum vorbei kommen. Hier herrscht ein schmutziger Krieg, der mit Vorurteilen und „Fakten" schwankender wissenschaftlicher Evidenz geführt wird. Doch es ist prophezeit, dass in Zeiten der Not GoodGains - in weißes Licht gehüllt - vom Himmel hinabsteigen wird, um die Menschen zu vereinen und für Aufklärung zu sorgen.

Tim hat einen großen - Gemüsegarten.

Ethik ≠ Ökologie ≠ Gesundheit

Diese drei Gesichtspunkte werden bei der Abwägung von Vor- und Nachteilen veganer Ernährung gerne über einen Haufen geworfen. Und selbst unter einigen Befürwortern des Veganismus scheinen hierbei Interessenkonflikte vorzuliegen. Einige verzichten auf tierische Produkte aus moralischen Gründen, andere der Umwelt zu Liebe. Manchmal ist es eine Mischung verschiedener Aspekte.

Festzuhalten ist: ja, eine vegane Lebensweise verzichtet auf Tierleid und ist der Mischkost dahingehend aus ethischer Sicht überlegen. Wir haben in den sozialen Medien einigen Diskussion zu dem Thema gelauscht und dabei hörten wir sehr oft:

Ich könnte das Tier auch selbst töten.

Applaus! Du bist der Coolste im Club. Aber meinst du nicht, dass es einen Unterschied macht, ob man ein halbes Dutzend Kaninchen im Garten hält - oder die millionenfache Haltung von Tieren auf engstem Raum finanziell unterstützt? Wie wichtig dir das persönlich ist, hast du letzten Endes aber selbst zu entscheiden.


Wie umweltschonend eine vegane Ernährung ist, bleibt ein Abwiegen von Zahlen. Durch die Produktion tierischer Lebensmittel wird viel Ackerfläche zur Ernährung der Tiere genutzt. Zudem gehen dabei viele Kalorien durch die Umwandlung von Pflanze zu Futter zu tierischem Produkt verloren. Somit hätte man einen Vorteil dabei, die Pflanzen direkt zu konsumieren. Auf der anderen Seite sind aber nicht alle Pflanzenbestandteile, die als Futtermittel verwendet werden, auch vom Menschen verwertbar, wobei sich diese Biomasse aber zum Teil auch zur Energiegewinnung und Rohstoffproduktion nutzen ließe. Dennoch können nicht 100% der landwirtschaftlichen Nutzfläche von tierischer in pflanzliche Produktion umgewandelt werden. Aufgrund der Bodenanforderungen der Pflanzen kann ein Teil der aktuellen Fläche nur als Wiesen und Weiden genutzt werden.


Beim Gesundheitsaspekt wird es spannend. Wer sich von jetzt auf nachher zu einer Ernährung ohne tierische Produkte entscheidet, setzt sich selbst einem hohen Risiko der Fehlernährung aus. Wobei hier gesagt sei, dass auch eine omnivore Diät, vor allem die „westliche Diät", großes Potential zur Fehlernährung bietet. Die häufigsten Problemfälle der veganen Ernährung sind Vitamin B12, Vitamin B2, Vitamin D, Iod, Zink, Eisen, Selen, Calcium, Omega-3-Fettsäuren und essentielle Aminosäuren. Wie man diese ausgleicht, zeigen wir dir weiter unten im Artikel. Auf der anderen Seite bietet sie ein hohe Menge an Ballaststoffen, Kohlenhydraten und Antioxidantien. Über diese freut sich das Darmmikrobiom sehr, was zu zukünftigen Behandlungsmethoden im Bereich der chronisch-entzündlichen und anderen Darmerkrankungen genutzt werden könnte. Des Weiteren ist eine vegane Ernährung auch für Sportler und sogar Schwangere geeignet, wobei wir Letzteren eine ärztliche Konsultation empfehlen würden. Bei Personen, die sich vegan ernähren, wird häufig auch ein bewussterer und allgemein gesünderer Lebensstil beobachtet. Wir können dir auch nur empfehlen, dich vor deinem Umstieg aktiv und ausreichend mit Fachliteratur zu belesen, um langfristige Krankheiten und Mängel durch Fehlernährung zu vermeiden.


Zu guter Letzt kommen wir zum Gesundheitsaspekt. Hierbei soll etwas ausgesprochen werden, was uns regelmäßig zur Weißglut bringt, weil diese zwei Bereiche viel zu oft vermischt werden.

Bio bedeutet nicht gesund und vegan bedeutet nicht zwangsweise auch bio.

Bio-Produkte sind häufig weniger Pestiziden ausgesetzt oder klimaschonender produziert, aber sie sind keine magischen Schutzzauber, die dich vor Fehlernährung bewahren. Vegane Produkte, werden häufig mit Bio-Produkten über einen Kamm geschert, was aus ernährungsphysiologischer Sicht aber sehr irreführend sein kann. Man kann sich - in unterschiedlichem Ausmaß - sowohl vegan, als auch omnivor umweltbewusst und gesund ernähren und das auch mit und ohne Bio-Produkten.


Ersatzprodukt ≠ Ersatz

Ersatzprodukte ersetzen das ursprüngliche Produkt nur was Geschmack und Aussehen angeht. Aus ernährungsphysiologischer Sicht unterscheiden sich diese Produkte oft gewaltig und stellen zudem eine lebensmitteltechnologische Herausforderung dar. Durch unterschiedliche Protein- und Fettzusammensetzungen der Ausgangsstoffe muss die Produktkonsistenz durch unterschiedliche Prozesse und Inhaltsstoffe erreicht werden. Hier kommen häufiger Emulgatoren und Verdickungsmittel zum Einsatz, wobei diese gefährlicher klingen, als sie tatsächlich sind. Durch Zugabe von Pflanzenproteinen können die Nährwerte angeglichen werden. Dennoch entsprechen 100 Gramm veganem Aufschnitt nicht den Nährwerten von regulärer Wurst. Hier spielt auch die Bioverfügbarkeit von Proteinen und Mineralstoffen eine wichtige Rolle. Diese ist bei pflanzlichen Quellen aufgrund chemischer Bindungen oder zusätzlicher störender Inhaltsstoffe häufig niedriger als bei tierischen Produkten. Man sollte also Ersatzprodukte nur bewusst mit einer ausgewogenen Ernährung kombinieren.


Worauf man bei veganer Ernährung achten muss

Vitamin B12 wird hauptsächlich von Mikroorganismen gebildet. Dies geschieht bei der Fermentation von Lebensmitteln oder im Darm (besonders von Wiederkäuern). Es kommt zudem in manchen Algen und Pilzen natürlich vor, wird aus diesen Quellen aber sehr schlecht aufgenommen. Die Menge in fermentierten und vegetarischen Produkten genügt nicht für eine ausreichende Versorgung. Hier kommt man um Supplemente schlecht herum. Omnivore sollten sich beim Thema Vitamin B12 aber nicht zu sehr in Sicherheit wiegen. Auch sie können unterversorgt sein.


Vitamin B2 kommt in Pilzen, Nüssen und Vollkornprodukten in ausreichenden Mengen vor und stellt bei einer ausgeglichenen veganen Ernährung kein großes Problem dar.


Vitamin D wird von unserem Körper selbst gebildet und kann bei mangelnder Sonneneinstrahlung unabhängig von der Ernährung zum Problem werden. Wer uns kennt, weiß, dass wir Menschen in Deutschland, zumindest im Winter, zu einer Vitamin D-Supplementierung raten.


Iod kann auch bei Mischköstlern in zu niedrigen Mengen aufgenommen werden. Quellen für Iod sind Meeresalgen und iodiertes Speisesalz.

Zink ist bei einer veganen Ernährung aus rein mengenmäßiger Sicht kein Problem. Allerdings ist die Bioverfügbarkeit aus pflanzlichen Quellen deutlich niedriger. Daher lohnt es sich, bei Samen, Nüssen, Kernen, Hülsenfrüchten und Getreideprodukten ordentlich zuzuschlagen.


Eisen ist der beste Freund von Zink. Die beiden haben sich so gern, dass sie sogar in denselben Lebensmitteln vorkommen. Somit kann der Bedarf dieser beiden Mineralstoffe gleichzeitig gedeckt werden.


Selen ist auch wieder ein Problem für alle. Es kommt vor allem in Paranüssen, Pilzen, Getreide und Hülsenfrüchten vor. Paranüsse enthalten allerdings so viel Selen, dass man damit sehr schnell sogar eine Überversorgung erreichen kann.


Calcium kommt nur in Milch vor. Ha, das hättest du wohl gedacht! Auch Samen, Nüsse, Mineralwasser und Blattgemüse enthalten Calcium. Achte dabei unbedingt auch auf deine Vitamin D-Zufuhr, denn diese ist für den Knochenhaushalt fundamental.


(Langkettige) Omega-3-Fettsäuren kommen in Raps- und Leinöl, sowie Nüssen und Samen vor. Bei Ölen ist es von Vorteil, diese beispielsweise als Salatöl zu verwenden, da Erhitzen der Qualität der ungesättigten Fettsäuren schadet. Im Ernstfall können Eicosapentaen- und Docosahexaensäure direkt durch Mikroalgenöl supplementiert werden.


Essentielle Aminosäuren profitieren gewaltig von der Mischung verschiedener Proteinquellen. Daher solltest du dich nicht alleine auf die Angaben zur Bioverfügbarkeit, wie man sie in vielen Tabellen findet, verlassen. Hülsenfrüchte, Nüsse, Getreide und Kartoffeln enthalten einen bunten Cocktail an Aminosäuren und sollten auf keinem Speiseplan fehlen.


Vegan macht Fun (das sollte sich reimen)

Wir hoffen, dass wir dir zeigen konnten, dass die häufigen Argumente gegen vegane Ernährung nicht wirklich begründet sind. Es ist durchaus möglich, sich in allen (gesunden) Lebenslagen vegan zu ernähren, solange man auf die Zusammensetzung seiner Ernährung achtet (was aber auch für Mischkost gilt). Welche Rolle dann noch Umweltbewusstsein und Ethik in deiner Lebensweise spielen, entscheidest du selbst.


Wir wollen dich hier nicht zum Veganer oder zur Veganerin konvertieren. In erster Linie wollten wir Stereotypen bekämpfen, die zu festgefahrenen Denkweisen führen. Am Ende des Tages ist wahrscheinlich besser für das Wohl aller, wenn viele auf ein bisschen verzichten und nicht wenige auf alles.


Dein GoodGains-Team


PS: Wir hoffen, dass etwas für dich in diesem Artikel dabei war. Du hast aber noch so viele Fragen zum Training oder zu anderen Themen? Kein Problem. Die beantworten wir in unserem Podcast. Schreibe uns einfach unter mail@good-gains.de




Ernährungsmedizin; Biesalski H. K., Bischoff S., Pirlich M.; Weimann A.; Thieme; 5. Auflage

Vitamine, Spurenelemente und Minerale; Biesalski H. K.; Thieme; 2. Auflage

Taschenatlas Ernährung; Biesalski H. K., Grimm P., Nowitzki-Grimm S.; Thieme; 7. Auflage

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