"Ich kann nichts dafür, dass ich dick bin, das liegt in der Familie!" - Was ist dran an diesem Satz? Wir klären auf!
Was wir von unseren Eltern erben, ist in unserer DNA, unserem Erbgut, festgelegt. Hierdurch haben wir beispielsweise ein erhöhtes Risiko an bestimmten Krankheiten zu erkranken, zu früh unsere Haare zu verlieren, aber wir können dadurch auch besonders sportlich werden. Diese Ausprägungen werden meist über Generationen hinweg weitergegeben. Was aber, wenn wir dir sagen, dass Hunger, Bewegungsmangel oder andere Umwelteinflüsse und Lebensstile sich nicht nur auf das eigene Leben auswirken, sondern sich daraus ergebende Ausprägungen auch an die Kinder weitergegeben werden?
Mehr als reine Vererbung
In unserem Körper finden sich mehr als 250 verschiedene Zelltypen. Sie alle enthalten genau dieselben DNA-Stränge. Interessanterweise sehen jedoch Leber- oder Nervenzellen sehr unterschiedlich aus und haben zudem sehr verschiedene Eigenschaften. Den Unterschied macht der Prozess der Epigenetik. Sogenannte epigenetische Modifikationen sorgen dafür, dass Proteine angelockt oder gebunden werden. Dadurch erhöht oder senkt sich die Aktivität der Gene. In manchen Fällen werden eben jene Gene sogar komplett an- oder ausgeschaltet.
Im Gegensatz zu den feststehenden „Buchstaben“ der DNA-Strängen können epigenetische Markierungen während unseres gesamten Lebens und in Reaktion auf unsere Umwelt oder unseren Lebensstil verändert werden.
Beispiele: Rauchen verändert epigenetische Markierungen von Lungenzellen, was zu Krebs führen kann.
So weit zur Theorie! Die entscheidende Frage ist jetzt jedoch: Wenn wir von unseren Eltern die gleichen "Gene" (Genetik), also die vollständige DNA vererbt bekommen und die Veränderungen wie Übergewicht durch Umwelt und den Lebensstil (Epigenetik) hervorgerufen werden, kann dann eine solche Krankheit von unseren Eltern vererbt werden, ohne dass diese sie vorher vererbt bekommen haben?
Sind unsere Eltern Schuld an unserem Gewicht?
Hierzu zeigte nun eine internationale Studie des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung, dass sich Übergewicht nicht nur am eigenen Körper zeigt, sondern sich die überflüssigen Kilos auch irgendwie auf den DNA-Strängen absetzen, welche dann an die nachfolgende Generation weitergegeben werden. In der Studie wurden mögliche Zusammenhänge zwischen dem BMI und epigenetischen Veränderungen untersucht, wozu Blutproben von über 10 000 Frauen und Männern aus Europa analysiert wurden. An 187 Stellen im Erbgut dieser Menschen zeigten sich epigenetische Markierungen in Abhängigkeit vom BMI, also in Reaktion auf unsere Umwelt und den Lebensstil (wie oben erklärt). Vor allem Gene, die für Fettstoffwechsel, Sauerstofftransport und Entzündungsreaktionen verantwortlich sind, haben sich signifikant verändert.
Zudem zeigten weitere Langzeitbeobachtungen, dass ein Großteil der Veränderungen eine Folge des Übergewichts war und nicht dessen Ursache, also diese Veränderungen sich erst im Laufe das Lebens der Probanden entwickelt haben.
Dies ist insofern interessant, weil wir aus der Genetik gelernt haben, dass bestimmte Ausprägungen meist über mehrere Generationen hinweg vererbt werden und nur durch Änderung des Erbguts zu beeinflussen sind. Anders scheint dies im Falle der Epigenetik.
Die Gesundheit der Kinder beeinflussen
Mit dem Satz "Ich kann nichts dafür, dass liegt in der Familie!" kannst du daher zwar deinen frühzeitigen Haarausfall erklären, jedoch könnte es gut sein, dass du, aufgrund der vorliegenden Forschungsergebnisse, direkt an der Gesundheit deiner Kinder beteiligt bist und hierzu nicht das gesamte Erbgut verändert sein muss. Umgekehrt bedeutet dies, dass deine Eltern durch ihre Ernährung und andere Einflüsse, wie zum Beispiel auch Bewegung, direkt an deiner Gesundheit beteiligt waren.
Bei der epigenetischen Modifikation scheint der Einfluss der Mutter auf die Kinder etwas größer zu sein als der des Vaters.
Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass es viele Stellschrauben gibt, die mehr oder weniger starke Auswirkungen auf die DNA haben können. Leider ist das optimale Zusammenspiel noch nicht geklärt, was bedeutet, dass nicht alle positiven und negativen Verhaltensweisen auch automatisch in ähnlicher Ausprägung vererbt werden.
Was man aber weiß: epigenetische Modifikationen sind grundsätzlich umkehrbar.
Dies heisst, wenn du dich gesund ernährst und es zu keinem Bewegungsmangel kommen lässt, dann müssen sich die epigenetischen Veränderungen deiner Eltern nicht unbedingt auf dein Leben auswirken. Die Ausrede "das habe ich von meinen Eltern" oder "das liegt in der Familie" zählt im Fall der Epigenetik also leider nur bedingt!
Wir hoffen du hast wieder was gelernt!
Dein Good-Gains Team
Originalstudien:
Epigenome-wide association study of body mass index, and the adverse outcomes of adiposity (2017)
Advances in epigenetics link genetics to the environment and disease (2019)
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